Unerfahrene Pferdehalte haben oft ein Problem, eine Unterernährung rechtzeitig zu erkennen. Oftmals wird ein „Heu- oder Grasbauch“ bei einem mageren Pferd sogar mit Übergewicht verwechselt. Bei älteren Pferden sieht man dann oftmals ganz deutlich die Rippen und auch andere Knochen ragen prominent hervor.
Unterernährung
bei Pferden
In erster Linie sind solche Bilder auf eine unzureichende Raufutterversorgung zurückzuführen.
Jeder Pferdebesitzer hat die letzten heißen Sommer mitbekommen. Bedingt durch die hohen Temperaturen und den fehlenden Regen ist auf den Wiesen und Weiden kaum etwas gewachsen. Dementsprechend fehlt das Futter für die Pferde. Hinzu kommt, dass die geringen vorhandenen Mengen extrem teuer werden, so dass aus ökonomischen Gründen oftmals nur geringere Raufuttermengen gefüttert werden.
Während der phylogenetischen Entwicklung der Equiden wechselte das natürliche Nahrungsspektrum des Eohippus von Laubwäldern hin zu offenen Busch- und Grassteppen. Parallel mit dieser Änderung im Nahrungsangebot kam es zu entsprechenden anatomischen Anpassungen des Pferdes. So vergrößerten und verbreiterten sich die Kauflächen der Backenzähne mit höher stehenden Schmelzleisten (faltenartige Strukturen), so dass die harten, teilweise verkieselten Gräser des Steppenaufwuchses ausreichend intensiv zermahlen werden konnten. Es wird zudem angenommen, dass es infolge des höheren Fasergehaltes in der Ration auch zu einer Vergrößerung des Dickdarmkonvoluts kam, in dem die faserigen Strukturen mittels Mikroben aufgeschlossen werden können. Bei dieser mikrobiellen Verdauung der NSP (Nicht-Stärke-Polysaccharide) im Dickdarm kommt es zur Bildung kurzkettiger Fettsäuren, die nicht nur der Ernährung des Pferdes per se, sondern auch der Ernährung der Mikrobiota und der Darmschleimhaut dienen.
Primär führt ein höherer Fasergehalt zu einer ausreichenden Magen-Darm-Füllung und damit zu einem Sättigungsgefühl (→ ruhigere Tiere). Durch variierende Mengen an Rohfaser lässt sich zudem die Energiedichte im Futter regulieren. Nicht zu vernachlässigen ist der Effekt einer ausreichenden Beschäftigung mit der Futteraufnahme (Vermeidung von Stereotypien wie Weben oder Koppen). Bedingt durch das Kauen kommt es dabei zu einer forcierten Speichelbildung, wobei der Speichel aufgrund der höheren Bikarbonatgehalte zu einer Pufferung der im Magen entstehenden Säuren und somit zur Prophylaxe von Magenulcera dient.
Es sprechen somit viele Gründe für einen Einsatz faserhaltiger Futtermittel, die auch heute noch die Basis jeder Pferderation bilden, wobei über das „Was“, das „Wie“ und vor allem das „Wieviel“ allerdings häufig kontrovers diskutiert wird.
„Was“ soll an Raufutter angeboten werden?
Raufutter kann sowohl frisch (Weide), getrocknet (Gräser-/Luzerneheu, Stroh) oder siliert (Grassilagen, Heulagen) zum Einsatz in der Pferdefütterung kommen. Klassischerweise gehören Weide, Heu und Stroh zu den üblichen Komponenten einer Pferderation. Zu den Grünfutterkonserven gehören auch Heulagen, die sich, wie der Name bereits andeutet, chemisch zwischen Heu und Grassilagen einordnen lassen. Hierbei handelt es sich um hochangewelktes Grünfutter (im Vergleich zur klassischen Silage höherer, im Vergleich zum Heu niedrigerer Trockenmassegehalt), bei dem die Bildung von Milchsäure und anderen Säuren deutlich geringer ausfällt (nicht genügend freies Wasser für eine intensive Stoffwechselaktivität der Flora), sodass der pH-Wert, der für den konservierenden Effekt verantwortlich ist, nur wenig abfällt. Derartige „Silagen” sind nur unter Folie verschlossen länger lagerfähig; sobald aerobe Bedingungen wirksam werden (nach Anbruch), verderben diese FM sehr schnell, d.h. Heulagen müssen innerhalb kürzester Zeit verfüttert werden.
In jüngster Vergangenheit hat die Luzerne (getrocknet, siliert) Einzug in die Pferdefütterung gehalten. Luzernehaltige Produkte werden aufgrund der hohen Schmackhaftigkeit, aber auch des höheren Proteingehaltes vom Pferdebesitzer geschätzt, wobei allerdings auch auf den gleichzeitig höheren Calciumgehalt der Luzerne hinzuweisen ist.
Bei leichtfutterigen sowie rehegefährdeten Pferden ebenso wie zur Beschäftigung auf dem Paddock oder zur Reduktion des Energiegehaltes auf satten Pferdeweiden wird Grassamenstroh angeboten. Diese Bezeichnung ist zunächst irrenführend; es handelt sich bei diesem Futter nicht wirklich um Stroh, sondern um die Reste ausgedroschener Gräser (daher der Vergleich zum Stroh), die dann als Rohfaserquelle in der Pferdefütterung eingesetzt werden. Im Gegensatz zum Stroh ist der Ligningehalt geringer, die Konzentration an Protein und Energie jedoch höher.
Eine weitere Rohfaserquelle stellen Trockenschnitzel dar, die sich im Gegensatz zu den zuvor genannten Komponenten durch lösliche Fasern auszeichnen. Diese Pektine können aufgrund ihrer hydrophilen Eigenschaften enorme Flüssigkeitsmengen binden (Wasserbindung = Fülleffekt und Dehnung der Darmwand→Peristaltik↑). Sie unterliegen einer Fermentation im hinteren Verdauungstrakt. Die dabei entstehenden flüchtigen Fettsäuren bedingen nicht nur eine moderate pH-Wert-Absenkung im Dickdarm (ungünstiges Milieu für unerwünschte Keime), sondern dienen gleichzeitig auch als Substrat für die Ernährung der Darmschleimhaut. Es entstehen im Wesentlichen die flüchtigen Fettsäuren Acetat, Propionat und Butyrat, wobei insbesondere das Butyrat der Darmschleimhaut als Energiequelle dient und zudem eine stimulierende Wirkung auf die epitheliale Darmzellproliferation ausübt.
„Wieviel“ Raufutter soll angeboten werden?
Diese Frage gehört wohl zu den am häufigsten gestellten in der Pferdefütterung und wird nicht selten zum Zankapfel zwischen Pensionsbetreibern und Pferdebesitzern. Heu ist ein vergleichsweise teures Grundfutter (Ernteaufwand, Energie- und Nährstoffverluste, im Vergleich zur Silagebearbeitung höhere witterungsabhängige Risiken → Verderb/Totalverlust), so dass der Stallbetreiber hier nach dem Motto „So viel wie nötig“ vorgeht. Dem steht der Pferdebesitzer gegenüber, der für sein Pferd „So viel wie möglich“ haben möchte. Doch wieviel Raufutter ist nun unbedingt erforderlich. Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst der Eiweiß- und vor allem Energiegehalt des Raufutters wichtig. So ist von einem satten Weideaufwuchs im Frühjahr sicherlich weniger anzubieten als von einem überständigen Heu oder gar einem Grassamenstroh.
Gesunde Pferde im Erhaltungsstoffwechsel sind in der Lage, ihren Energiebedarf ausschließlich über Grobfutter zu decken. Um die Ration ausgewogen zu gestalten, ist dann nur noch ein vitaminiertes Mineralfutter erforderlich. Ergänzt werden müssen dabei Natrium sowie diverse Spurenelemente (Zn, Se, I, evtl. Cu).
Welche Raufutter kann man bei alten Pferden anbieten?
Hier eignen sich vor allem Heucobs und Rübenschnitzel. Diese müssen aufgrund ihrer stark quellenden Eigenschaften vor der Verfütterung jedoch ausreichend lange mit Wasser eingeweicht werden. Sind die Zähne des Seniors noch intakt, so kann er auch durchaus höhere Mengen auf der Weide fressen.
Grundsätzlich gilt, dass die anzubietende Raufuttermenge in Abhängigkeit von der Art des Raufutters und seiner chemischen Zusammensetzung, dem Gesundheitszustand sowie dem Energiebedarf des Pferdes (Art und Dauer der Arbeit) sowie der Haltungsform den jeweiligen Gegebenheiten anzupassen ist.
Sollten Sie hierzu Fragen haben bzw. einen entsprechenden Rationsvorschlag benötigen, lassen Sie es mich bitte wissen.